Landebahn

Momo


In der Woche vor dem ersten FliegerhorstSommerfest „spielten“ Markus Stettner-Ruff und Daniel Kirsch MOMO. Sie wollten auf eine besondere Weise die Bewohner*innen des Fliegerhorstareals kennenlernen.

Markus berichtet, was er erlebte:

„Ich saß Dienstag bis Donnerstag von 14.00 bis 18.00 Uhr unter einem Baum auf der Festwiese, auf meinem selbst bunt angemalten Momo-Stuhl, neben mir der bunte „Setz Dich Stuhl“ und wartete, bis sich jemand zu mir setzte. Zuerst kamen die Kinder, mit denen ich spielte. Dann aber auch viele Erwachsene. Die tiefen Begegnungen mit den Kindern und Erwachsenen, ihre Geschichten, vor allem von ihrer Flucht, verbunden mit traumatischer Gewalt und Angst und oftmals unendlichem Leid, beeindruckten mich. Aus dem langen Zuhören entstanden dann oft spannende, inspirierende Gespräche mit den Erwachsenen wie den Kindern. Ich muss da besonders an den seit seinem zweiten Lebensjahr an Krücken gehenden Apotheker Mouhammed Abouzied aus Damaskus denken, mit dem ich hoch philosophische Gedanken austauschte. Er wartete jeden Tag auf mich. Bei späteren Aktionen und den FliegerhorstSommern war er immer aktiv mit dabei.

Fotos Stühle und Kinder von Aktion Momo Sommer 2020_Seite_2_Bild_0001 Fotos Stühle und Kinder von Aktion Momo Sommer 2020_Seite_3_Bild_0001 Fotos Stühle und Kinder von Aktion Momo Sommer 2020_Seite_4_Bild_0001 Fotos Stühle und Kinder von Aktion Momo Sommer 2020_Seite_6_Bild_0001

Die Fluchtgeschichte, die mir Ruqea Yasin, im Beisein ihres Bruders und ihres Vaters erzählten, berührte mich ebenso tief. Ruqeas Eltern flohen aus Somalia in den Jemen, wo sie geboren wurde. Nach einer viermonatigen, leidvollen Fluchtodyssee unter anderem durch die Wüste nach Syrien und das Mittelmeer erreichte sie mit Bruder und Vater, aber ohne Mutter und ihre kleine Schwester, die von den Schleppern nicht mit aufs Boot genommen wurden, vor 7 Jahren schließlich Crailsheim. Seither lebt sie mit ihnen in der Burgbergstraße. Ihre Mutter und Schwester leben in Nigeria und sie alle hoffen, dass sie bald zu ihnen nach Crailsheim kommen können. Ruquea macht inzwischen bei TamieH mit und gestaltete das zweite Propellerskulpturnabelgaleriefenster mit ihren Vogelbildern (Siehe Propellerskulptur) und erzählte bei der Vernissage ihre Fluchtgeschichte.

Einladungskarte zu Projekt Momo

„Wenn du aufbrichst, um deinen Traum zu verwirklichen…“

Daniel machte freitags dieselben Erfahrungen wie ich.

Wie nachhaltig die Momo-Begegnungen mit den Kindern waren, erlebten Daniel und ich am 11. Oktober 2020, als wir die Flüchtlingskinder zu unserer Veranstaltung „Wenn du aufbrichst, um deinen Traum zu verwirklichen…“ Märchen aus aller Welt zum Thema Freundschaft mit Christoph Kopp, dem Schauspieler und langjährigen Freund aus Freiburg, wiedersahen.

Dabei erlebten wir wieder so eine TamieH-Geschichte, die ich kurz erzählen will:

Beim Aufbau des Raumes am Sonntagvormittag muss ich auch etwas aus dem Lehrerzimmer holen. Dort auf dem Tisch steht eine kleinere Holztruhe. Darauf steht auf einem Zettel: für MSR - mein Kürzel. Ich öffne die Truhe und was findet sich darin? Lauter bunte „Edel“steine. Ich weiß nicht, wer mir die geschenkt hat. Ich nehme die Truhe mit in den Veranstaltungsraum und am Ende der Märchenstunde darf jedes Kind und jeder Erwachsene einzeln zu mir kommen und sich einen Stein aussuchen – viele nehmen für ihre Freunde und Geschwister noch welche mit.

Noch immer weiß ich nicht, wer mir die Schatztruhe geschenkt hat.

MOMO war der Anfang von vielen, vielen Begegnungen mit den Menschen des Fliegerhorstareals, besonders den Kindern …..“

FOMO – MOMO

Kurze Zeit nach unserem MOMO-Erlebnis ist mir ein Begriff, der mir natürlich sofort in die Augen stach, der jungen österreichischen Philosophin Lisz Hirn begegnet: FOMO - abgekürzt für „the fear of missing out“. Sie beschreibt ihre Gedanken dazu wie folgt:

Aus unserer Angst, Zeit zu verschwenden, ist die Angst geworden, etwas zu versäumen. FOMO quält nicht nur die jungen, sondern mittlerweile auch Menschen im Pensionsalter. Sie ist ein Phänomen des digitalen Zeitalters und Ergebnis des Zwangs der digitalen

„Aufmerksamkeitsökonomie“. Über diese lässt der ehemalige Chefentwickler bei Firefox Aza Rakin wissen: „Die erfolgreichsten Unternehmen haben gelernt, wie man Menschen als Ressource nutzt, die man ausschöpfen kann.“ Und treffen sie auf den wunden Punkt. „Was wünschen wir uns? Aufmerksamkeit. Unternehmen schaffen es, uns süchtig danach zu machen.“ Beispielsweise indem man das „angeknackste“ Selbstwertgefühl vieler Menschen anspricht.

Wie anders ist da MOMO. Und wie anders waren unsere Erfahrungen beim „Momo - Spielen“ im September 2020 im Fliegerhorstareal.